Residenzlauf: Favoritensiege und Charaktertests

Foto: Patrick Wötzel

Gelungen, aber mit einiger Luft nach oben: So lässt sich die 29. Auflage des Würzburger Residenzlaufs am Sonntag zusammenfassen. 6673 Läuferinnen und Läufer bedeuten die fünftbeste Teilnehmerzahl – und auch beim „Lauf der Asse“ kamen die Siegerzeiten bei zwar bestem Laufwetter, aber erheblicher Beeinträchtigung durch teils heftigen Wind bei weitem nicht an die Streckenrekorde heran.

 

Immerhin wetteiferten bei den schnellen vier Runden um die Residenz mit knapp hundert internationalen, nationalen und regionalen Assen so viele wie noch nie um Sieg und Preisgelder. Und mit der 2016 eingebürgerten gebürtigen Äthiopierin Fate Tola gewann seit vielen Jahren auch mal wieder eine Deutsche. Die für die LG Braunschweig startende 29-Jährige, 2016 EM-Achte über 5000 Meter und amtierende Marathon-Meisterin, setzte sich in der zweiten der vier 2,5-Kilometer-Runden deutlich von ihrer ostafrikanischen Konkurrenz ab und feierte nach 32:45 Minuten einen überaus souveränen Sieg vor Eunice Kioko (33:50/Kenia) und Helen Tola (34:05/Äthiopien).

Bei den Männern wurde Bernard Kimeli aus Kenia seiner Favoritenrolle ebenfalls in äußerst souveräner Manier gerecht, kam aber in 28:12 Minuten nicht ansatzweise an seine Siegerzeit von vor zwei Wochen beim Paderborner Osterlauf heran. Damals war er nach vergleichsweise langsamem Beginn mit 2:57 Minuten für den ersten und 2:48 Minuten für den zweiten Kilometer am Ende stolze 27:18 Minuten gerannt und hatte Jahresweltbestzeit aufgestellt. In Würzburg wollte er nun versuchen, sogar noch schneller zu laufen, zumindest den Streckenrekord von 27:33 Minuten zu brechen. Entsprechend flott legte er los, setzte sich bereits nach einem Kilometer vom Feld ab und hatte nach der ersten Runde schon 60 Meter zwischen sich und seinem ärgsten Verfolger Bernard Kipkemoi gelegt. Nach fünf Kilometern war der Vorsprung bereits auf 200 Meter angewachsen und der 22-Jährige lief ein einsames Rennen. Das gewann er schließlich auch ohne Probleme vor seinen Landsmännern Emmanuel Kiprono (29:01) und Bernard Kipkemoi (29:22), blieb aber in 28:12 Minuten doch deutlich hinter seinem eigentlichen Vorhaben zurück.

Zufrieden war der in seiner kenianischen Heimat als Wildhüter arbeitende 22-Jährige dennoch. „Der Wind hat mir gewaltig zugesetzt, auch die leichten Steigungen verlangen einem eine Menge ab und nach etwa acht Kilometern begann meine Brust zu schmerzen“, erzählte Kimeli nach dem Zieleinlauf. Hauptsache er habe gewonnen und damit seinen ersten Europa-Aufenthalt wie gewünscht abgeschlossen. „Zwei Starts, zwei Siege – ich hoffe, wenn ich das nächste Mal nach Europa komme, geht das so weiter“, sagte der 22-Jährige mit einem Schmunzeln. Jetzt geht es erst einmal nach Kenia zurück, im Juni versucht er sich dann erneut bei einigen Läufen in Europa. Und dann will er sich auf der Bahn für Kenias Nationalmannschaft über 10 000 Meter qualifizieren. Was bestimmt wesentlich schwieriger werden wird als der sonntägliche Sieg beim Residenzlauf.

Seiner Favoritenrolle gerecht wurde übrigens auch Nico Merklein beim Rennen der Handbiker. Der Paralympics-Sieger von Rio zeigte der Konkurrenz in der letzten Runde, was eine Harke ist und kurbelte sich noch einen erheblichen Vorsprung heraus. Überschattet wurde das Rennen der Handbiker von einem Unfall. Ein Fahrradfahren wollte die Strecke queren und kollidierte dabei mit zwei Sportler aus Luxemburg. Einer kam mit Schürfwunden davon, der zweite musste mit Verdacht auf Unterschenkelbruch ins Krankenhaus eingeliefert werden. Der Fahrradfahrer verletzte sich zwar auch, aber offensichtlich nicht wirklich schwer, denn er beging Unfallflucht.

„Dieser Unfall belastet mich doch erheblich und trübt auch einen insgesamt sehr schönen Tag“, sagte Organisationsleiter Reinhard Peter. Natürlich sei so etwas nie gänzlich auszuschließen, aber der Unfall mache ihn schon etwas ratlos. Ansonsten sei die Veranstaltung rundum toll gelaufen. Beim „Lauf der Asse“ habe die Qualität leider unter dem heftigen Wind gelitten, von der Quantität her aber Außergewöhnliches geboten. „Ich bin wirklich glücklich darüber, dass wir ein solch starkes Feld von regionalen und deutschen Topläufern hatten“, sagte Peter.

Den deutschen Dreikampf zwischen Halbmarathon-Meister Philipp Baar (Düsseldorf), Halbmarathon-Vizemeister Hendrik Pfeiffer (Wattenscheid) und Crosslauf-Vizemeister Fabian Clarkson (Berlin) entschied übrigens der 23-jährige Pfeiffer für sich. Bis einen Kilometer vor dem Ziel hatte es so ausgesehen, als würde wie schon vor zwei Wochen in Paderborn wieder Baar den Dreikampf für sich entscheiden können. Das Trio war zwar stets in Sichtweite unterwegs, aber der 24-jährige Wahl-Berliner machte den besten Eindruck. Doch offensichtlich hatte er sich bei einem Zwischenspurt auf der letzten Runde ein wenig übernommen. Bei Kilometer neun jedenfalls „gingen bei mir plötzlich voll die Lichter aus“, wie Baar später noch sichtlich gezeichnet erzählte. „Vielleicht hat mir auch die Frische gefehlt, ich bin ja in Würzburg voll aus dem Training für die 10 000-Meter-Meisterschaft in zwei Wochen in Bautzen gelaufen.“

Diese Meisterschaft freilich stellt auch für seine Kollegen Clarkson und Pfeiffer den nächsten Höhepunkt dar - und die hatten sich das Rennen in Würzburg wesentlich besser eingeteilt. Vor allem der Wattenscheider Pfeiffer, der am Ende am meisten zuzulegen hatte und als Gesamtelfter nach 30:17 Minuten knapp vor Clarkson (30:21) und deutlich vor Baar (30:45) lag. „Ich bin super zufrieden, denn das hier ist schon eine der brutalsten Zehn-Kilometer-Strecken, die ich kenne“, sagte Marathon-Mann Pfeiffer (Bestzeit 2:13:11). Und ergänzte: „Hier in Würzburg kann man seinen Charakter als Läufer definitiv bestens reifen lassen.“

Text: Günther Schwärzer (Main-Post Sportredaktion)

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